Corona stellt uns alle beruflich wie privat vor ganz neue Herausforderungen. Für mich war und ist es ein regelrechter Kopfstand, denn meine Arbeit als interkulturelle Trainerin beruht ganz entscheidend darauf, dass Menschen an einem Ort und in einem Raum zusammen kommunizieren. Dabei sollten sie auch die Luft lesen können, wie es in der japanischen Sprache so schön formuliert wird. Vor Corona habe ich in meinen Workshops und Seminaren so gut es ging eine „No-Screen-Policy“ gefahren, weil ich der Meinung bin und war, dass wir ohnehin alle viel zu oft vor irgendwelchen Monitoren sitzen oder auf Handy-Screens, PowerPoint-Folien, Anzeigetafeln schauen und viel zu wenig in unsere Gesichter. Bei interkultureller Kommunikation geht es viel um Augenkontakt, Gesten, Mimik, Abstand und oft auch Berührung. Es geht viel um das Nicht-Gesagte oder das nur unterschwellig Wahrgenommene. Möglichst kongruent dazu möchte ich eigentlich auch Gelegenheiten schaffen, diese Ebenen von Kommunikation gemeinsam zu entdecken, zu erfahren, zu ergründen, den Umgang damit zu üben.
Präsenz kam nun im März 2020 schlagartig abhanden. Mich „erwischte“ die Nachricht vom Lockdown – sogar von Mittwoch auf Donnerstag während eines laufenden Kompaktseminars. Wir mussten vom einen Tag auf den anderen auf virtuell umstellen und konnten das Seminar in diesem Falle gar nicht mehr persönlich abschließen. Meine Trainer-Kolleginnen und ich und auch einige meine Auftraggeberinnen haben das rein digitale Trainieren immer kategorisch ausgeschlossen. So lagen ein paar Formate erst einmal eine Zeitlang auf Eis und wurden durch das Jahr vor uns hergeschoben in der Hoffnung auf bessere Zeiten.
Also tastete ich mich zu Beginn des Sommersemesters 2020 doch schrittweise an einige Videokonferenzsysteme und Online-Tools heran und digitalisierte meine Flipcharts und Materialien. Mit Unterstützung von studentischen Tutorinnen, kollegialem Austausch und auch einigem Try und Error nach Feierabend gingen dann doch alle Formate über die Bühne. Es gab sogar einiges an Lob für meine Online-Flexibilität. Und ich muss sagen, ich habe inzwischen regelrecht Gefallen an Zoom, Padlet und Co. gefunden. Wer hätte das gedacht. Letztendlich durfte ich sogar Lehrende in zwei Schulungen fit für die Online-Moderation und Interaktion machen.
Kein Pendeln mehr, also nicht mehr so lange Fahr- und Wartezeiten, nicht mehr so viel Herumtragen und Schleppen, nicht mehr so viel Papierverbrauch, kein ständiges Tischerücken und aus dem Raum hetzen bevor der nächste Kurs schon an die Tür klopft. Die Ergebnisse einfach per snipping tool dokumentieren, die Teilnehmenden einfach in zufällige Gruppen schieben und zeiteffizient zurück ins Plenum holen.
Bitte nicht falsch verstehen: Auch mir fehlen der Blickkontakt, die Pausengespräche, die gemeinsamen Mittagessen mit Kolleginnen sehr. Die kurzen unkomplizierten Absprachen zwischendurch, die spontanen Begegnungen – und vor allem der persönliche Kontakt zu den Studierenden oder Teilnehmenden, um mitzubekommen, wie sie zurechtkommen, was diskutiert wird, wo sie gerade stehen, was sie benötigen. Mich wurmt, dass ich nicht immer einschätzen kann, ob jemand gerade ein individuelles Gespräch braucht, weil die eine oder andere Übung zu emotional war und dergleichen. Das lässt sich nicht wirklich gut ausgleichen oder ersetzen.
Alles erfahrungsbasierte Lernen ist immens erschwert, alles haptische – kollaborative fast unmöglich und darauf habe ich bislang immer stark gesetzt. Brückenbau, Barnga, Chatter und Co. leider alles gestrichen zurzeit. Manchmal ist die Verbindung so schlecht, dass man nur jedes vierte Wort versteht. Manchmal bleiben alle Kameras aus und man redet gegen eine schwarze Wand – wenn es gut läuft sieht man dann noch Namen in der Anzeige, das ist allerdings nicht in allen Tools so. Ich möchte definitiv Präsenz zurück.
Zugleich beobachte ich, wie in meinen Online-Seminargruppen rege diskutiert und intensiv reflektiert wird. Wie alle alle Beiträge hören und sich darauf beziehen. Es scheint eine Verschiebung weg vom Erleben hin zum Analytischen zu geben und irgendwie gefällt mir das auch ganz gut. Manchmal muss ich vor lauter Wortbeiträgen sogar ganze Einheiten weglassen. Vielleicht hat ja auch das Social Distancing damit zu tun. Die Leute, die evt. die ganze Zeit stark vereinzelt oder allein zu Hause sein müssen, können hier zusammenkommen und kommunizieren. Wir bieten mit unseren interaktiven Kursen einen Anlass dazu, etwas davon aufzuholen, was sie auf dem Campus, im Büro oder sonstwo gerade nicht haben können. Kaffeeklatsch, Kultur und Freizeitaktivitäten – Gelegenheiten zum Kennenlernen. Dieser positive Nebeneffekt von Seminaren lag mir schon immer am Herzen. Die Teilnehmenden sollen sich untereinander vernetzen. Kein Scherz, es sind daraus schon Ehen und Kinder entstanden.